betitelt die FAZ einen Gastbeitrag des Verlegers Rupert Murdoch über Schulen, und Murdoch lässt keinen Zweifel daran, dass dieses „Reservat“ umgehend zu schleifen sei. Die Welt wandele sich, nur das Bildungssystem halte nicht Schritt. Es vergeude die wertvollste Ressource – die Jugend. Dieses Urteil ist aus Sicht des australischen Medienunternehmers so pauschal gültig, dass er weder nach Ländern noch Schularten, Lebensaltern oder anderen Aspekten differenzieren muss. Für ihn gilt der Befund weltweit: Das „Humankapital“ wird nicht ausgeschöpft. Selbst zusätzliches Geld versickert wirkungslos, da Bildungssysteme per se nur Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) für Lehrer und Verwaltungsleute sind.
Das ist bitter. Doch Murdoch kennt die Retter: Computer. Kostenlose iPads (= Tablet PCs) für alle mit entsprechenden Applications (kurz: Apps) regen die Schüler zum selbständigen Lernen an. Integrierte Übungen und sofortiges Feedback sichern den Lernerfolg. Nach Lerntypen selektiertes Unterrichtsmaterials spreche Schülerinnen und Schüler individuell an. Wer länger brauche, wiederhole die Übungen und bestimme so die eigene Lerngeschwindigkeit. Alle lernen von den (selben) besten Online-Lehrern, die als Video-Stream bereitgestellt würden. Hunderte von Videos erschließen jeden Stoff, ebenso die Wissensportale. Lernmanagement-Programme können ermitteln, „wo das jeweilige Kind gerade steht und dann den Stoff für die nächsten zehn Tage maßgeschneidert zusammenstellen“. Digitale Hilfsmittel entlasten Lehrerinnen und Lehrer von der „öden Routine“ des Unterrichtens. Sie hätten „dann mehr Zeit für die wesentlichen Dinge, die uns menschlicher machen und unsere Kreativität verbesserten.“ Was diese „wesentlichen Dinge“ sein sollen – darüber schweigt sich Murdoch ebenso aus wie über den Ursprung seiner Expertise zu Bildungsfragen. Das ist auch nicht nötig, hat er doch das „Milliarden Dollar“ schwere Potential des Bildungs-Marktes erkannt. Wie man Märkte und Konsumenten mit Digitaltechnik und „content“ bespielt – dafür hat Murdoch in der Tat eine gute Expertise.
„Mein Unternehmen ist fest entschlossen, sich dafür zu engagieren. So werden wir der Wirtschaft all die Talente und Energien zur Verfügung stellen, die sie braucht um zu florieren.“Selten hat jemand so schonungslos marktradikal formuliert, wie er sich ” Schule” vorstellt. Schüler (Studierenden, Lernende generell) werden via Software auf messbare „Kompetenzen“ konditioniert. Der Mensch ist nur ein an den Computer angedocktes “Endgerät”, dessen Leistungsvermögen und Leistungsbereitschaft per Diagnosesoftware ebenso kontrolliert werden kann wie die „Lernfortschritte“. Software berechnet daraus das nächste „Lernpensum“. Es sind normative Vorgaben aus dem Qualitätsmanagement und der Prozesssteuerung der produzierenden Industrie, konsequent übertragen: Schüler/innen als normierter und nach Kompetenzen selektierter Output.
Das ist keine Science fiction. Das ist ein Geschäftsmodell. Es sind alte, inhumane Konzepte (programmiertes Lernen, kybernetische Pädagogik). Propagiert werden Kontrolle über und Normierung der Inhalte, direkter Einfluss auf Lernmethoden bei gleichzeitiger Verstetigung der Umsätze für Hard- und Softwareprodukte nebst Lizenzen für die – von Medienunternehmen – produzierten und bereitgestellten Inhalte. „Kauf Dir die Nobelpreisstunde“, so ein Zwischentitel der Onlineausgabe. Man kann derlei Konzepte vertreten, sollte aber nicht von „Bildung“ sprechen, sondern von Wirtschaftsförderungsmaßnahme und ABM für die IT-Industrie bei gleichzeitiger Selektion des „Humankapitals“ nach Anpassungs- und Leistungsbereitschaft schon in der Schule. Das ist die Fiktion eines „modernen“ Sklavenmarktes und.eines sich selbst optimierenden Prekariats.
* Rupert Murdoch: Bildung ist das letzte Reservat, in: FAZ vom 8. Juni 2011, S. N5