Propaganda, Medien, Märkte

oder: Wie man das Feld der Bildungsmärkte bestellt

Propaganda ist die Methode, Menschen glauben zu machen, sie würden von sich aus wollen, was sie wollen sollen, so jedenfalls Edward Bernays (1928). Diese Form der Propaganda erlebt man derzeit bei Digitaltechniken, explizit bei der Berichterstattung über “digitales Lernen” und MOOC (Massive Open Online Courses). Statt Analyse und Faktenvermittlung stehen Meinungsformung und Suggestion auf der Agenda. Doch wie formulierte Paul Sethe treffend: “Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.” (in: DER SPIEGEL, 5. Mai 1965)

Propaganda: Wollen, was man wollen soll

Edward Bernays hat in seinem Buch „Propaganda. Die Kunst der Public Relation“ (1928) Funktion und Wirkungsweise von Propaganda beschrieben.Wie bringt man Menschen dazu, Dinge zu tun, die sie nicht wollen und Bedürfnisse zu befriedigen, die sie nicht haben? Bernays beschreibt diese Manipulation wertneutral als Techniken, die man lernen und einsetzen kann. „In der Verkaufsförderung von einst war es der Hersteller, der zum potentiellen Käufer sagte: »Bitte kauf ein Klavier!« Mit der neuen Technik hat sich der Prozess umgekehrt. Nun sagt der potenzielle Kunde zum Hersteller: »Bitte verkauf mir ein Klavier!«“ (S. 55) So funktioniert Marketing für Marken. Konsumenten begehren und kaufen nicht mehr Turnschuhe, Jacken oder heute Smartphones, sondern Turnschuhe, Jacken oder Smartphones einer bestimmten Marke, mit einem speziellen Logo und ein besonderes (ständig wechselndes) Modell. Erworben werden Statussymbole und die Zugehörigkeit zu „communities“. Man „trägt“ oder zeigt angebissene Äpfel, weiße Kopfhörerkabel, Wolfstatzen etc. Der Einzelne wird zum unbezahlten Werbeträger – und ist stolz darauf.

Diese Steuerung via Marketing ist nicht neu, bekommt durch digitale Medien in Verbindung mit der zunehmenden Nutzungsdauer der entsprechenden Online-Dienste und dem Eindringen in die Privatsphäre allerdings ein anderes Gewicht. In den „sozial“ nur genannten „social media“-Plattformen funktionieren diese Steuerungsmechanismen des Marketing besonders gut, weil sich (nicht nur) junge Menschen unbeobachtet und sicher fühlen. Egal, was man tut, es scheint keine (sozialen) Sanktionen zu geben und wenn, klickt man sie weg. Dabei wird die Maschine zum primären – und da immer präsent – zum bevorzugten Kommunikationspartner.

Dazu sollte man wissen: Über 70% der Datenkommunikation im Web sind „Maschinenkommunikation“, sprich: automatisch generierte „Kommunikation“ zwischen Maschinen bzw. Programmen. Dazu zählt auch ein (im Umfang nicht nachweisbarer) Teil des „Feedback“ der sogenannten „social media“-Plattformen, um die Nutzer „bei Laune“ zu halten. Wer würde schließlich posten, chatten, uploaden ohne Resonanz? Einen Großteil der Netzkommunikation kann auch ein (Ro)Bot leisten: Schön, von Dir zu hören, klasse Bild, das Du hochgeladen hast, habe Deinen Film gesehen, toll … Solche und ähnliche „Antworten“ lassen sich per Algorithmus generieren. Diese automatisierte Form der „Kommunikation“ wird zunehmend und zunehmend systematisch für Lehr- und Lernszenarien genutzt und auf Lehrplattformen zur Steuerung der Lernenden eingesetzt.

Das Wollen via Web und App (steuern)

„Wer sind diese Personen“ fragt Bernays, „die uns, ohne dass wir es merken, unsere Ideen eingeben, die uns sagen, wen wir bewundern und wen verabscheuen sollen (…); die uns sagen, wie unser Haus gestaltet sein sollte, welche Möbel wir darin aufstellen, welche Mahlzeiten wir servieren, welche Hemden wir tragen, welchen Sport wir treiben, welche Wettkämpfe wir sehen, welche Filme wir großartig finden, welche Art von Sprache wir sprechen und über welche Witze wir lachen sollen?“ (S. 37)

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