Die aktuelle Diskussion über Chancen und Risiken der Digitalisierung aller Lebensbereiche – aktuell werden Bildungs- und Gesundheitssystem systematisch digitalisiert – krankt an einem elementaren Missverständnis. Für die meisten Menschen sind Laptop, Tablet und Smartphone weiterhin „nur“ Computer wie vorher die stationären PC-Desktops, mit denen man arbeiten, kommunizieren und im Netz surfen kann wie bisher, jetzt ergänzend mobil, jederzeit und überall.
Dabei wird i.d.R. vergessen, dass es beim Wechsel von analogen zu digitalen Diensten und der Verlagerung von Daten ins Netz nicht um ein technisches Update für den Umgang mit lokalen Daten und internen Abläufen (z.B. in Bildungseinrichtungen) geht. Das wäre eine Frage der Arbeitsorganisation. Entscheidend ist anderes. Zum einen wird bei Netzdiensten nicht mehr lokal vor Ort, sondern zentral in der sogenannten „Computer Cloud“ (ein Rechnerverbund beim Provider oder spezielle Rechenzentren für Webdaten) gespeichert. Zum andern werden diese Daten systematisch mit anderen Datenbeständen (Kommunikations- und Bewegungsdaten der Smartphones, eLearning-Profile von Online-Kursen, Daten aus sogenannten „Social-Media“-Plattformen wie FaceBook, WhatsApp, Instagram, Snapchat u.v.m.) kumuliert.
Dieser Datenpool wird mit immer ausgefeilteren Algorithmen des Big Data Mining (neu: Data Sciences) analysiert und mit Methoden der Empirie, Statistik und Mustererkennung ausgewertet. Zunächst anonymisierte Daten werden bei Bedarf re-personalisiert, um daraus möglichst umfassende, vollständige Profile für jeden Einzelnen zu gewinnen: idealiter prenatal bis postmortal.
Das ist der Grund für den Einsatz von Digitaltechnik in KiTas und Schulen: Je früher Menschen psychometrisch vermessen werden können, desto exaktere Persönlichkeits-, Lern- und Leistungsprofile entstehen. Der möglichst früh und kontinuierlich per App und Web digital vermessene Mensch ist das Ideal.
Währung und Mantra des 21. Jahrhunderts sind schließlich: Daten, Daten, Daten. Der Mensch wird zu einem Datensatz aus kommunikativem und aktivem Handeln. Durch die im Betriebssystem integrierten Spracherkennungssysteme (Alexa, Cortana, Siri & Co.) kann man selbst nicht Lesekundige (Kinder, Analphabeten) verbal adressieren und steuern. Aus einem Instrument der (zunächst militärischen) Informationsverarbeitung und später der Arbeitsorganisation wird in Verbindung mit 24/7-Netzwerkdiensten, mobilen Endgeräten und permanentem Rückkanal ein allgegenwärtiger Kontroll- und Steuerungsmechanismus aller Bürger.
Die „Silicon Valley Men“ wollen dabei nicht nur digitale Dienste zur Verfügung stellen, sondern „die ganze Welt verbessern“, was gemäß ihrer Vorstellung heißt, die Welt umzuprogrammieren. „Code ist the new law“ formuliert der Stanford-Jurist Lawrence Lessing. Superintelligenz und Unsterblichkeit phantasiert Ray Kurzweil mit seiner Vision von Singularity. Dienste von A-Z verspricht Google / Alphabet. Technikgläubigkeit wird zur Religion und Allmachtsphantasie.
Automatisierung, Digitalisierung und Ökonomisierung von Bildung sind dabei Bausteine, um Menschen an Display, Touchscreen und Sprachsysteme zu gewöhnen, die ihnen sagen, was sie tun sollen. Das ist Gegenaufklärung aus dem Valley per App und Web.