der mensch als soziales wesen kommuniziert
Der Mensch als soziales Wesen kommuniziert. Neben der direkten (interpersonalen) Kommunikation benutzt er technisch basierte Medien(-kanäle) vom Telefon über Radio und Fernsehen bis zum heute aktuellen „Internet“ als Sammelbegriff für digitale Netzwerkdienste. Statische Geräte in Büro und Wohnung werden zunehmend um mobile Geräte ergänzt, das Anwendungs- und Dienstespektrum für diese „mobile devices“ systematisch erweitert. Das Zauberwort (des Marketing) ist Medienkonvergenz: Alle Dienst auf allen Geräten. Die Zukunftsvision der Digitalanhänger beschreibt euphorisch die „Jederzeit- und Überallmedien“, bei denen der Einzelne sein eigener Programmdirektor ist, alles überall abruft und interagiert – vor allem aber: die Medien souverän nutzt. Umgekehrt ist jeder Nutzer auch jederzeit und überall erreichbar und jederzeit vernetzt: die Voraussetzung für unbegrenzte Kommunikation. Mit den technischen Gegebenheiten ändern sich das Kommunikations- wie das Rezeptionsverhalten. Denn nur, wer all diese Informationstechniken einsetze, also „Medienkompetenz“ besitze, könne auch vollständig an unserer Medien- und Informationsgesellschaft teilnehmen. Aber zum sinnvollen Einsatz kommt man …
„… begraben unter Bergen von Junk- und CC-Mails, umspült vom Radio- und Fernsehgeschwätz, mit SMS und RSS zwangsernährt und von PopUps angeschlagen – gar nicht mehr, sondern hat alle Hände voll zu tun, den nie versiegenden Strom in Papierkörbe, Spam-Filter und „Später-bearbeiten-Ordner“ zu lenken. Wer all dies als „Informationsmanagement“ beschönigt, kann auch die Mühen eines Menschen, der im Badesee mit allen vieren gegen das Ertrinken rudert, zum „Wassermanagement“ verklären.“ (Thomas Hoof, Hausnachrichten, 2007)
Weniger lustige Konsequenzen beschreibt ein Artikel der Süddeutschen Zeitung: „Der Terror des Jetzt“: Der bayerischen Justizminister Hemann Leeb wurde vom damaligen Ministerpräsidenten Stoiber 1998 entlassen, weil er während einer Zugfahrt sein Handy ausgeschaltet hatte. Leeb war drei Stunden nicht erreichbar und damit nicht verfügbar. Kündigung. (Gehlen, Jetzt, 2007, S. 12)
Unbestritten hängt die Nutzungsmöglichkeit von Techniken von deren Existenz und Verfügbarkeit ab. Unbestritten ist – auch – das sich ändernde Mediennutzungsverhaltens von einzelnen Nutzergruppen durch den Einsatz entsprechender Techniken. In Frage steht die generelle Nutzungsnotwendigkeit dieser Techniken und Dienste bzw. die Zwangsläufigkeit von Existenz und Nutzung. Die dahinter stehende Frage thematisiert die Autonomie des Einzelnen im Umgang mit „aktuellen, neuen, digitalen“ und inzwischen mobilen Medien und Diensten. Autonomie bezeichnet dabei sowohl den generellen Einsatz von Techniken als auch die Frage nach Zeitpunkt und Dauer der Nutzung. Denn Autonomie im Umgang mit Medien und Techniken bedeutet nicht nur ob, sondern auch wann, wie oft und wie lange ich sie einsetze, nicht zuletzt schließlich: für welchen Zweck.
Beim Begriff Zeit unterscheide ich zwischen
Für erstere haben wir technische Hilfsmittel erfunden – die Uhr – wohl wissend, dass diese technische Komponente der Zeit ein Hilfskonstrukt ist. Der Mensch erlebt Zeit immer als Individualzeit (nach Kant: subjektives Zeitempfinden), abhängig von persönlicher Situation und Umgebung. Diese Unterscheidung ist wesentlich, da Medienrezeption immer an Individualzeit gebunden und als solche empfunden wird. Ob ich lese, (zu)schaue oder (zu)höre: ich brauche dafür Zeit. Das Zeitempfinden ist dabei nicht an das Medium gekoppelt oder gar davon abhängig, sondern vom Grad der Aufmerksamkeit und Konzentration und der emotionalen Teilhabe. Es gibt todlangweilige Bücher (Filme, Sendungen, Musikstücke …), bei denen die Zeit fast stehen zu bleiben scheint und andere Bücher (Filme, …), bei denen man buchstäblich (!) alles andere vergisst und gar nicht merkt, das die Zeit „wie im Flug“ vergeht. Bei welchem Buch (Film, Sendung) der Einzelne sich langweilt oder die Zeit vergisst, hängt ebenso am Einzelnen: Für die einen sind Mister Bean oder Monty Python reiner Stuss oder öde, andere lachen Tränen etc. Zeitempfinden und (medialer) Anlass verweisen damit wiederum auf den: Rezipienten. Der Begriff der verlorenen Zeit lässt sich damit nur über das (subjektive) Erleben des Individuums (und seine Wertung) erschließen.
Der ganze Beitrag als PDF: Lankau: Auf der Suche nach der verlorenene Zeit (Buckow_11)
Quelle: Felsmann, Klaus-Dieter (Hrsg.) [Rezipient, 2008]: Der Rezipient im Spannungsfeld von Zeit und Medien, Buckower Mediengespräche 11, München, kopaed, 2008