Der badenwürttembergische SPD-Fraktionsvorsitzende Schmiedel machte im Mai 2013 für die sinkenden Umfragewerte seiner Partei im Ländle nicht die aktuelle Bildungspolitik von Grün-Rot verantwortlich, sondern pauschal Lehrer, Lehrerverbände und Beamtenbund. “Heulsusen” seien das, mit denen man keine Politik machen könne, so der ehenalige Berufsschullehrer, und unterstellt pauschal “Abwehrhaltung”. Der Berufsschulverband zeichne “Zerrbilder u.ä.
Man darf sich wundern, warum jemand öffentlich Harakiri begeht (und nebenbei seinem Kollegen und Minister für Kultus, Jugend und Sport, Andreas Stoch, in den Rücken fällt, der gerade versucht, die Flurschäden seiner überforderten Vorgängerin zu bereinigen). Denn die Beschimpfung von Verbänden ist kein Politikersatz. Noch seltsamer wird diese Konfrontationsstrategie, wenn man sich erinnert, dass Grün-Rot bei der Landtagswahl nicht zuletzt in der Hoffnung auf eine kooperative und diskursive Bildungspolitik gewählt wurde. Aber Lehrerschelte gehört seit Gerhard Schörders Beschimpfung der Lehrer als “faule Säcke” (1995) offensichtlich zur Folklore, in Berlin wie Stuttgart.
Einen sinnvolleren Weg geht die norddeutsche Journalistin Anja Reschke und hospitiert in einer ehemals “Brennpunktschule” genannten Einrichtung. (Heute spricht man “politisch korrekt” von einem “besonderen Stadtteil”, als würden Formulierungen den sozialen Status ändern.) Ihr Bericht ist so sachlich wie erschreckend, sowohl in der Textvariante als Artikel (ZEIT) wie im Film des NDR (s.u.). Lehrer seien faul? Die Autorin weiß es aus eigenem Erleben besser: “Mein Eindruck ist, nach vier Wochen in – zugegeben – nur einer Schule: Das, was von Lehrern erwartet wird, und das, was sie unter solchen Bedingungen leisten müssen, ist: eine Zumutung.” Statt Lehrerschelte wäre Lehrerinnen und Lehrern schon damit geholfen, sich zunächst fachkundig zu machen und sie durch Respekt und Anerkennung für ihre tägliche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu untersützen, anstatt das eigene politische Versagen an diejenigen zu delegieren, die täglich in Schulen und sozialen Einrichtungen für die Sozialgemeinschaft arbeiten.
Der Artikel in der ZEIT: Lasst die Lehrer in Ruhe!
“Unter Lehrern”; Autor/in: Anja Reschke & Birgit Wärnke. Zehn Nationen, 22 Schüler, darunter Inklusionskinder: So sieht die 6. Klasse einer Hamburger Stadtteilschule aus. Anja Reschke hat erlebt, welche Anforderungen Lehrer meistern müssen. NDR, Sendedatum: 04.06.2013 21:15 Uhr; siehe Mediathek):
Schmiedel nennt Lehrerverbände “Heulsusen” (23. Mai 2013) Badische Zeitung