Die letzten zwei Dekaden sind durch das Vordringen der Digitaltechniken in nahezu alle Lebensbereiche gekennzeichnet. Digitale (Mobil-)Geräte und Netzwerke scheinen das Nervensystem postindustrieller Gesellschaften zu sein. Das gilt zunehmend auch für soziale Systeme wie Gesundheit und Bildung. Versprochen werden Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung mittels Algorithmen und automatisierter Steuerung. Das ist die Sichtweise von Ingenieuren, Systemtechnikern und Betriebswirten. Es sind Begriffe aus dem Qualitätsmanagement der produzierenden Industrie.
Der zweite, alle Lebensbereiche okkupierende Aspekt ist die zunehmend ökonomische Sicht auf alle Lebensbereiche. Nur „produzieren“ Bildungs- wie Gesundheitssystem nichts, da es sich weder bei Abiturienten noch bei Absolventen von (Hoch-)Schulen, noch bei Patienten und betreuten Personen um Produkte handelt. Daher sind Technisierung wie Digitalisierung und dominant betriebswirtschaftliches Denken in sozialen Kontexten notwendig kritisch zu reflektieren, zumal damit die Begriffe Standardisierung und Normierung aufs engste miteinander verbunden sind, was nicht dem Selbstverständnis und der gesellschaftlichen Aufgabe von Bildungseinrichtungen entspricht.
Zudem haben der NSA-Skandal und die Enthüllungen Edward Snowdens im Jahr 2013 das öffentliche Unbehagen an der allgegenwärtigen Speicherung personenbezogener Daten extrem befördert. Persönliche Gesundheitsdaten sind, wie individualisierte Lernprofile, überaus sensibel, da der Einzelne mentale Fähigkeiten wie Gesundheit nur bedingt beeinflussen kann. Wie Lehre und Lernen mit aktuellen, netzbasierten Medien aussehen kann, ohne sich digitalen Kontrollstrukturen auszuliefern, zeigen die Überlegungen am Ende des Beitrags.
Erschienen in Johanne Pundt, Karl Kälble (Hrsg.): Gesundheitsberufe und gesundheitsberufliche Bildungskonzepte auf dem Prüfstand, Bremen, 2015, S. 483-502