in: Paul Tarmann (Hrsg.) Datenschutz – „Big Data“ als gesellschaftliche und politische Herausforderung. Gesellschaft & Politik. Zeitschrift für soziales und wirtschaftliches Engagement, Heft 2/17, S. 17-24
Am 17. und 18. November 2016 fand in Saarbrücken der 10. Nationale IT-Gipfel statt. Er stand unter dem Motto „Lernen und Handeln in der digitalen Welt“. Vertreter aus der IT-Wirtschaft, aus Politik und den Technikwissenschaften versicherten sich gegenseitig ihrer wegweisenden Bedeutung für die „digitale Zukunft“. Haben sie doch einen gemeinsamen Glauben gefunden: den Glauben an die Allmacht – und Alternativlosigkeit – der Digitalisierung. Dabei sind nicht einmal die Kernfragen beantwortet: Wo ist Digitalisierung überhaupt sinnvoll – und wie sichert man personenbezogene Daten gegen Missbrauch? Eine Antwort immerhin hat der Gipfel für den Alltag geliefert, auf den hier referiert wird: Aus den Ministerien sind keine Lösungen für die Nutzer zu erwarten, da lediglich Positionen der IT-Wirtschaft übernommen werden.
Der Generalnenner der letzten zwei Dekaden ist das Vordringen der Digitaltechniken in nahezu alle Lebensbereiche. Ob Arbeitswelt oder (Hoch-)Schule, ob Kommunikations- oder Konsumverhalten: Ohne Rechner, Software und Netz scheint heute nichts mehr zu gehen. Laptops, Smartphones und Social Media-Applikationen sind markante Marken auf dem Weg zur „digitalen Gesellschaft“. Der jederzeit und überall mögliche Netzzugang und mobile Geräte sind das (Status)Symbol digitalaffiner Gesellschaften.
Wer dabei Web & Co. für Unterhaltungs- und Kommunikationsmedien, wer Smartphones, Web und App nur für die zeitgemäße Weiterentwicklung von Unterhaltungselektronik und aktuellen Geräten bzw. Medien hält, denkt zu kurz. Das immer engere Netz der digitalen Infrastruktur hat als wesentliche Komponente einen permanenten Rückkanal. Alles, was der Einzelne im Netz tut, wird in Datenbanken gespeichert, mit Hilfe von komplexen Algorithmen ausgewertet und zu immer genaueren, personalisierten Profilen destilliert. Somit sind Mensch mit ihren Digital Devices permanente Datenlieferanten für die Mustererkennung und Profilierung durch „Big Data Mining“, also das Sammeln und Auswerten dieser Daten durch IT-Monopolisten wie Google, Facebook oder Amazon. Da die meisten Nutzer nicht (mehr) zwischen beruflicher und privater Nutzung unterscheiden und oft nur ein Smartphone benutzen, werden sowohl berufliche wie private Kommunikations- und Sozialnetze erfasst. Digitalisierung ist das Synonym für die vollständige Datenerfassung und die dadurch mögliche Überwachung und Kontrolle aller. Das Freiheitsversprechen des Web erweist sich als illusionär. Statt Individualität und Selbstbestimmung herrschen Gruppenzwang und Sozialkontrolle. Der erzwungene Verzicht auf Privatsphäre und Datenprostitution sind der Preis für Zugehörigkeit und Teilhabe, wobei das „Erzeugen von Gruppendruck“ als „Kernkompetenz sozialer Netzwerke“ dient.1
Ganz oben auf der Agenda der Digitalisten stehen aktuell Gesundheit und Bildung. Selftracking oder Quantified Self heißt der Trend zum Sammeln körperbezogener Daten wie Puls, Körpertemperatur oder Schlafphasen. Online- oder Mobile Learning heißt das gleiche für digitale Lehrmedien, gerne in Verbindung mit den Begriffen „individualisiertes oder personalisiertes Lernen“. Das Prinzip ist bei allen Anwendungen identisch. Es werden möglichst viele Daten über jede und jeden Einzelne(n) gesammelt und daraus dann „passende Angebote“ berechnet. Aus dem Menschen als Datensatz wird der Adressat von algorithmisch berechneten „Empfehlungen“, von konkreten Handlungs- oder Lernanweisungen. In Folge bestimmen Algorithmen, ob und welche Behandlungen ein Patient bekommt oder welches Lernmodul einem Lernling als nächstes auf dem Display oder Touchscreen eingespielt wird.
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Lankau: Datenschutz? (2017)