Der Titel des Vortrags „Der Mensch im Netz von Cyberspace, Big Data und KI“ thematisiert den systematischen Aufbau einer technischen Infrastruktur zur Kontrolle und Steuerung von Menschen. Das Netz ist dabei das Instrument zur kybernetischen Verhaltenssteuerung von Individuen und Sozialgemeinschaften. Diese Infrastruktur aus smarten Endgeräten, Webdiensten und Cloud-Computern ist eine immer komplexere und umfassendere, dabei weitgehend unsichtbare Struktur, die wir durch unsere Bequemlichkeit und Unbedarftheit mit immer mehr persönlichen Daten speisen. Laptops, Smartphones und Tablets, aber auch Kameras, Mikrofone und Sensoren im öffentlichen Raum – Stichwort: Smart Home, Smart City – zeichnen unser gesamtes Verhalten auf und verdaten das Subjekt ebenso wie den öffentlichen wie den privaten Raum. Wir sind nurmehr Datenspender. Daraus werden Bewegungs-, Konsum und Persönlichkeitsprofile, mit denen wir gesteuert werden (Stichwort: persuasive Technologien).
Das ist das Benthamsche Panoptikum in Perfektion: Wir werden rund um die Uhr technisch überwacht und aus diesen Überwachungsdaten werden Verhaltensvorgaben berechnet, nach denen wir uns richten sollen. Im Westen nennen wir es freundlich verharmlosend „Nudging“ (Anstupsen). Im Osten (China) sind es konkrete Verhaltensvorgaben für die Bürger/innen, die belohnt oder sanktioniert werden (Citizen Scoring: Sozialpunktesystem für Bürger). Dabei werden in China, den USA und in Europa die gleichen technischen Systeme eingesetzt, die gleichen Daten erhoben und ausgewertet. Der Unterschied ist, wie offensiv staatliche Stellen diese Kontroll- und Überwachungsstrukturen benennen und welche (direkten) Folgen unser Verhalten hat. In China sind die Erwartungen klar formuliert: Gehorsam. Im Westen sind die Verhaltensmanipulationen subtiler und haben den konsumierenden Menschen zum Ziel. Im Ergebnis macht es aber wenig Unterschied. Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier formulierte es auf dem 37. Deutschen Evangelischen Kirchentag am 20. Juni 2019 in Dortmund so:
„Was bleibt vom Menschen, wenn neue Technologien immer tiefer in unsere Entscheidungen eingreifen, unser Denken lenken, unsere Wünsche formen? Und wie soll Gesellschaft funktionieren, wenn jede Faser von Individualität – längst nicht mehr nur jede Abweichung von der Norm – als Datenpunkt erfasst und in neuen Zusammenhängen verarbeitet wird – bei den einen vom Staat [China; rl], bei den anderen von privaten Datenriesen [USA; rl]? Nicht um die Digitalisierung der Demokratie müssen wir uns zuallererst kümmern, sondern um die Demokratisierung des Digitalen! (S. 3)
Die Rückgewinnung des politischen Raumes – gegen die Verrohung und Verkürzung der Sprache und der Debatten, aber auch gegen die ungeheure Machtkonzentration bei einer Handvoll von Datenriesen aus dem Silicon Valley –, das ist die drängendste Aufgabe!“ (S. 2)“ (Steinmeier 2018; Quellen siehe PDF)
Der ganze Beitrag mit Quellen und Links als PDF:
Lankau: Der Mensch im Netz von Cyberspace, Big Data und KI